• info@goslar-queer.de
  • Goslar
Veranstaltungen
Bericht über den Coming-Out-Day 2023

Bericht über den Coming-Out-Day 2023

Was ist Coming Out? Diese Frage war am „Coming-Out-Day“, also am 11. Oktober allgegenwärtig im „Kö“ in Goslar. Zum zweiten Mal lud die Aidshilfe und diesmal in Kooperation mit uns und anderen queeren Vereinen und Gruppierungen zur Feier des Coming Outs ein, aber auch zur Mahnung, dass das Coming Out nach wie vor nicht überall und immer ein „Wohlfühl-Coming-Out“ ist, wie der Autor Torsten Poggenpohl es bezeichnete.

Entsprechend waren das Herz des Abends auch Coming-Out-Geschichten aus der Goslarer Community. Aus den verschiedensten Gruppierungen und queeren Richtungen hatte René Daniels von der Aidshilfe Vertreter*innen hergebeten, die von ihren eigenen Outing-Erfahrungen berichteten oder stellvertretend für nicht anwesende Personen und Gruppen sprachen. Aus Clausthal berichtete Wolfram von der Situation ausländischer Studierender, die zwar grundsätzlich sehr gut erklärt bekommen, wie sie mit queeren Themen in Deutschland umzugehen hätten, jedoch kommen diese teilweise auch aus Ländern, in den beispielsweise Homosexualität strafbar ist. Diese kulturellen Unterschiede stellen natürlich auch eine Herausforderung dar. Neben Wolfram haben auch Julia und Jost über Erlebnisse und Emotionen gesprochen. Julia berichtete über ihr Coming Out als lesbische Frau und ihrer familiären Situation mit vier Kindern. Jost thematisierte Josts Nicht-Binärität, die Jost schon im Kindergarten auf gewisse Weise wahrnahm. Vera von der Braunschweiger trans* Beratung war auch zu Gast und sprach über ihr eigenes Outing als trans* Frau. Sie wusste schon als kleines Kind, dass sie ein Mädchen ist, jedoch war Transidentität in den 70er Jahren gar kein Thema, was ihr große Hürden in den Weg stellte. Für die Jugendgruppe war Yves anwesend. Er thematisierte sein Outing als schwuler Junge und hob den Queeren Jugendtreff als besonderen Schutzraum hervor.

Umrahmt wurden die Berichte durch eine Lesung von Torsten Poggenpohl aus seinem Buch „einfach!ch: schwul.bipolar.positiv.“, einer Drag-Show von Tiffany D. Sin sowie musikalischer Untermalung auf der Ukulele durch Mara Da Silva.

In seinem Buch beschreibt Torsten Poggenpohl die Zeit, in der er fast gleichzeitig die Diagnosen „HIV-positiv“ und „bipolar“ bekam. Die bipolare Störung zeichnet sich dadurch aus, dass man wechselnd absolute Euphorie empfindet (Manie) und depressive Zeiten durchlebt. In seiner ersten Manie, die Torsten Poggenpohl mehr als eindrücklich beschreibt, erhält er die Diagnose, dass er auf 5 Millionen HI-Viren nur 16 Helferzellen hatte. Es ist ein Wunder, dass bei diesem Verhältnis keine AIDS-Symptome aufgetreten sind. Sehr bewegend berichtet der Autor davon, wie sein Umfeld ihn mehr und mehr als mindestens psychisch auffällig empfindet und ihn schließlich in die Psychiatrie bringt. Nach einigen weiteren Irrungen und Wirrungen schlugen die Medikamente und Therapie an und so konnte Torsten Poggenpohl ins Leben zurückfinden.

Die musikalische Bandbreite des Abends ließ keine Wünsche offen. Tiffany D. Sin sang insbesondere viele Lieder aus Musicals und Musikfilmen, aber auch Popfans kamen auf ihre Kosten. Die Musikerin Mara Da Silva spielte auf der Ukulele vor und nach der Lesung mit Torsten Poggenpohl Lieder aus verschiedenen Epochen und rundete die Wohlfühlatmosphäre des Abends ab.

Einmal mehr hat die queere Community in Goslar sich in ihrer vollen Diversität gezeigt und nach den Rückmeldungen zu urteilen erneut einen guten Eindruck gemacht. Wir dürfen also auf diesen Abend genau so stolz sein, wie auf uns selbst!

Text von Hanno Sagebiel; Fotos von Wolfram Haeseler